DIGITALFOTOGRAFIE

Noch vor zehn Jahren war die Mikrofotografie eine zeitraubende Wissenschaft für sich, die sehr viel Erfahrung voraussetzte. Heute kann man mit handelsüblichen Digitalkameras in Verbindung mit Bildbearbeitungsprogrammen mühelos ganz ausgezeichnete Bilder herstellen, allerdings lassen sich die üblichen Kameras nicht mit Hilfe eines Adapters am Mikroskop befestigen.

Da wir immer wieder von Amateuren diesbezügliche Anfragen erhalten, seien hier zwei einfache Lösungen des Problems vorgestellt: Benötigt wird ein Gradeinblick (gewöhnlich vorhanden) und ein stark vergrößerndes Brillenokular (gewöhnlich nicht vorhanden).

 

Man befestigt die Kamera an einem Stativ, stellt den maximalen Zoomfaktor ein (2,5x oder 3x), schiebt das Objektiv über das Brillenokular, so daß ein Abstand von ca. 2 mm bleibt, und zoomt zurück auf Faktor 1. Nun bewegt man das Stativ solange vorsichtig hin und her, bis das kleine runde Bild im Display gleichmäßig ausgeleuchtet ist (ziemlich kritisch), dann zoomt man so weit, daß das gesamte Display ausgeleuchtet ist. Man löst die Kamera über die 10-Sekunden-Automatik aus.

Um Enttäuschungen zu vermeiden, sollte man die obige Prozedur in einer Lehrmittelhandlung durchführen, um sicher zu sein, das richtige Brillenokular (oder Weitfeldokular) zu erwerben.

Je nach Optik der Kamera können auch schwach vergrößernde Projektive an Stelle des Brillenokulares günstig sein.

Bei ungünstiger Kombination können die randnahen Partien des Bildes starke Farbsäume besitzen; dies wird oft erst bei Betrachten des digitalisierten Bildes deutlich.

Besser ist es, sich eine Kamerahalterung selbst zu basteln, wie dies hier schematisch dargestellt ist. Als Material verwendet man am besten Hartkunststoff (z.B. PERTINAX) oder Hartholz von 10 mm Dicke.

Schwieriger ist es, die Kamera selbst zu befestigen, denn das bewegliche Objektiv darf hierfür keinesfalls verwendet werden! Man bringt auf dem oberen Brettchen mehrere Auflagepunkte an (L-förmig geschnittene Klötzchen), in die die Kamera "saugend" eingelegt werden kann, danach fixiert man die Kamera mit einem dicken Gummiband, um das Gehäuse nicht zu beschädigen. Man achte darauf, daß auch bei maximal ausgefahrenem Objektiv zwischen Objektiv und Okular ein Abstand von ca. 2 mm bleibt! Am sichersten ist es, die Kamerahalterung so zu dimensionieren, daß zwischen ausgefahrener Optik und Okular ein Abstand von 8 - 10 mm besteht. Diesen verkleinert man später schrittweise, indem man zwischen Tubus und Okular Ringe aus Draht oder Blech einsetzt.

Die korrekte Ausleuchtung des Blickfeldes testet man mit Zoomfaktor 1: Das kleine runde Bild muß gleichmäßig ausgeleuchtet sein, ohne halbmondförmige Abschattungen!

Wichtig ist ferner, die Autofocus-Automatik der Kamera abzuschalten. Man erreicht dies gewöhnlich, indem man die Belichtungsautomatik auf "Landschftsbilder" oder ein entsprechendes Symbol einstellt. Ist dies nicht möglich, muß man die Automatik "überlisten": Man drückt, wie üblich, den Auslöseknopf solange halb ein, bis die Fokussierautomatik ihre Arbeit erledigt hat, dann wird mit dem Feintrieb des Mikroskopes nachfokussiert, erst dann drückt man den Auslöseknopf ganz ein. Auch jetzt arbeitet man mit der Verzögerungsautomatik von 10 Sekunden (besser 2 Sekunden, wenn vorhanden).

Oft bietet das Fokussieren auf Feinstrukturen (Kieselalgen!) oder auf kontrastarme Strukturen (Zilien!) wegen der Rasterung des Kameradisplays große Schwierigkeiten. In solchen Fällen fokussiert man zunächst ohne Kamera auf die gewünschte Struktur und beobachtet gleichzeitig das Verhalten einer ebenfalls feinen, jedoch sehr kontrastreichen Struktur (Körnchen, Schlitze u.ä.). Man merkt sich das Bild dieser kontrastreichen Struktur und fokussiert später so, daß diese Struktur auf dem Kameradisplay ganz genau so aussieht wie bei direkter Beobachtung. Man kann dann sicher sein, daß auch die eigentliche Struktur scharf abgebildet wird.

Die Bildschärfe läßt sich bei starker Vergrößerung ganz erheblich verbessern, wenn man ein Grünfilter einlegt, besser noch ein (allerdings teures) Interferenzfilter, das nur grünes Licht durchläßt. Man beginnt später die Bildbearbeitung, indem man das Farbformat zunächst in <8-Bit Graubild> umwandelt und dann wieder zurück zu <RGB-Farben>; letzteres ist erforderlich, damit alle Optionen des Bildbearbeitungsprogrammes wieder zur Verfügung stehen.

Um brauchbare Bilder zu erhalten, müssen die Originalbilder stets mit einem Bildbearbeitungsproramm nachbearbeitet werden, allein schon wegen des unvermeidlichen Farbstiches (ein Umprogrammieren des Weißabgleiches der Kamera ist nicht zu empfehlen). Dies sei am Beispiel von COREL PHOTO-PAINT 8 beschrieben:

1. Farblose Objekte (z.B. Diatomeen, Radiolarien)

Bild / Farbformat ändern / Graustufen (8 Bit) >>> Bild wird zu Graustufenbild konvertiert
Bild / Farbformat ändern/ RGB-Farben (24 Bit) >>> Bild bleibt grau; alle Bearbeitungsmodule wieder aktiv
Effekte / Schärfe / Schärfe ... >>> Bild wird nachgeschärft (nicht zu stark!)
Effekte / Fotolab / CSI Levels ... >>> Kontrast optimieren
Effekte / Fotolab / CSI GradTone ... >>> ggf. Falschfarbenbild erzeugen (Schatten dunkelblau, Lichter hellblau)

2. Gefärbte Objekte (z.B.Schnitte)

Effekte / Schärfe / Schärfe ... >>> Bild wird nachgeschärft
Effekte / Fotolab / CSI FotoFilter... >>> Farbstich entfernen (Hintergrund am besten hell blaugrau)
Effekte / Fotolab / CSI Levels ... >>> ggf. Kontrast optimieren

 

Professionelle Kameradaptationen: Hinweise 1 Hinweise 2

 

Quasi-3D-Fotografie mit dem Programm HELICON-FOCUS

Lichtmikroskope besitzen grundsätzlich bei stärkeren Vergrößerungen eine nur geringe Tiefenschärfe - von rundlichen Gebilden wie Radiolarien oder Foraminiferen lassen sich daher nur unbefriedigende Mikrofotos herstellen. Die Digitalfotografie schafft hier Abhilfe: Zunächst stellt man bei starker Vergrößerung (Objektiv mindestens 20-fach) eine Bildserie des Objektes her, wobei man die Aperturblende möglichst weit öffnet (möglichst geringe Tiefenschärfe!); hierbei senkt man den Tubus um jeweils 2 um (Objektiv 20-fach) oder um nur 0,5 um (Objektive 60-fach, 100-fach). Die Serie soll etwa 20 Einzelbilder umfassen. Danach lädt man die Bilderserie in das Programm HELICON-FOCUS, das aus dem Internet heruntergeladen werden kann (Testzeit: 1 Monat) und betätigt den Button <RUN>. Das Programm überlagert nun die vielen Einzelbilder zu einem Gesamtbild hoher Tiefenschärfe.

 
        Rekonstruiertes Bild

Die obige Bildserie zeigt vier solcher Schnittbilder einer Serie von 30 Bildern, hier in nur geringer Bildqualität wiedergegeben. Das folgende Bild zeigt dann das von HELICON erstellte Gesamtbild, mit COREL-FOTOPAINT-8 nachbearbeitet.

Es folgen einige weitere Beispiele, welche die Leistungsfähigkeit von HELICON-FOCUS zeigen:

   
  Diatomee 1 Diatomee 2 Diatomee 3 Foraminifere 1  
   
  Radiolarie 1 Radiolarie 2 Radiolarie 3 Radiolarie 4  
   
  Radiolarie 5 Radiolarie 6 Radiolarie 7 Radiolarie 8  
         
  Radiolarie 9        

Die hier gezeigten Bilder sprechen für sich, insbesondere die verößerten Versionen (Bilder anklicken!). Schon die drei gezeigten Diatomeen sind die "natürlichen Feinde des Mikrofotografen": No 1 ist tonnenförmig, No 2 hat die Form eines sehr spitzen Hutes und No 3 ist sattelförmig geschwungen.

HELICON-FOCUS besitzt eine Reihe von Vorzügen:

1. Einfache und übersichtliche Bedienung
2. Hohe Geschwindikeit
3. Darstellung des schrittweisen Bildaufbaues (ermöglicht später das Löschen qualitätsmindernder Einzelbilder!)
4. Automatische Einzelbildzentrierung (gleicht leichte Verschiebungen und Verdrehungen der Einzelbilder gegeneinander aus)

Das Programm hat aber auch Grenzen: HELICON-FOCUS unterdrückt durchscheinende Strukturen, die von Vordergrundstrukturen überlagert werden. Dies ist besonders gut am Beispiel von Radiolarie No 6 zu sehen (die innere Kugel wird nur schemenhaft wiedergegeben) und am Beispiel von Radiolarie No 5 (die hinteren Strukturen werden nur wiedergegeben, wenn sie durch Öffnungen des Skelettes direkt sichbar sind). Dies führt einerseits zu einer Art "Auflichtbild", wodurch die Klarheit des Bildes und die räumliche Wirkung erheblich verbessert wird. Es bedeutet aber auch, daß man nur "ganze Objekte" untersuchen sollte. Für die Rekonstruktion dreidimensionaler Feinstrukturen (Diatomeen) ist HELICON-FOCUS dagegen nur bedingt geeignet - hier ist das REM deutlich überlegen, und das nicht nur wegen der höheren Auflösung. Pflanzenschnitte schließlich liefern unbefriedigende Ergebnisse, da beim Durchfokussieren zu viele Überlagerungen entstehen.

Schließlich noch eine Anregung für Spezialisten: Besitzt das Mikroskop einen Abbeschen Beleuchtunsapparat mit verschiebbarer Aperturblende, sind auch Stereo-Bildpaare möglich - man erstellt zwei Bildserien, wobei man die Aperturblende um jeweils einige Millimeter nach links bzw. nach rechts verschiebt. Montiert man die rekonstruierten Bilder dann im Format 8x8 cm nebeneinander, erscheint das Objekt im Stereoskop dreidimensional.

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